Viele Unternehmen denken darüber nach, die Einführung von Innovationen zur Digitalisierung auch mithilfe von digitalen Lernmedien zu vermitteln. Welche Anstrengungen hierfür unternommen werden und wieweit dieser Prozess vorangeschritten ist, zeigen die Ergebnisse einer Expertenbefragung, die das mmb Institut für die Veranstaltungsreihe “Digital_Learning:MeetUps“ durchgeführt hat. 37 Expertinnen und Experten aus der E-Learning-Community haben sich innerhalb einer Woche an der Online-Befragung beteiligt.

Wo stehen wir bei der Digitalisierung allgemein?

Das Stichwort „Digitalisierung“ verbindet man u.a. mit der Einführung neuer Produktionsmethoden, z.B. durch den Einsatz von Robotern, dem „Internet of things“ oder der Auswertung von „Big Data“. „Wenn Sie an die Bedeutung der Digitalisierung von Aufgaben und Prozessen in deutschen Unternehmen denken – wo stehen die Unternehmen in Deutschland dann zur Zeit?“ Dies konnten die Befragten auf einer Skala von plus 3 („sehr weit vorangeschritten“) bis minus 3 („hängen sehr weit zurück“) einstufen.

Sie machen dabei einen klaren Unterschied zwischen Großunternehmen (plus 0,8 auf der Skala) und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU, minus 1,1), die damit eindeutig zurückliegen. Digitalisierung könnte damit mehr ein Thema der „Großen“ werden, was auch zu einer größeren Kluft zwischen Großunternehmen und KMU führen könnte.

Die Expertinnen und Experten selbst haben nach eigener Einschätzung „die Nase vorn“ und liegen bei der Digitalisierung ihres Unternehmen bzw. ihrer Institution mit plus 0,8 noch vor den Großunternehmen.

Mit welchen Lernmaßnahmen sollten Unternehmen sich fit für die Digitalisierung machen?

Welche Lernmaßnahmen sollten Unternehmen in Deutschland ergreifen, um Ihre Mitarbeitenden für den Umgang mit Digitalisierung zu qualifizieren? Das mmb Institut hat hierfür einige Vorschläge formuliert, die die Expertinnen und Experten auf einer 6er-Skala nach Relevanz einstufen konnten.

Besonders befürwortet wird die Idee, zunächst einmal eine Qualifizierungsstrategie für die nächsten Jahre zu entwickeln – und sich eben nicht in unzusammenhängenden Einzelmaßnahmen zu verlieren. Mehr als 80 Prozent vergeben hierfür die Werte 1 und 2. Noch etwas größer (87%) ist der Zuspruch für die Methode des „Reverse Mentoring“. Dieses Konzept sieht vor, dass sich Mitarbeitende in Tandems oder kleinen Gruppen zusammentun, um sich gegenseitig Kompetenzen zu vermitteln, die sie besonders gut beherrschen. So können ältere Kolleginnen und Kollegen fachliche Kompetenzen vermitteln, während die „Jungen“ in den Tandems den anderen etwas über den Umgang mit Medien beibringen.

Die dritte besonders favorisierte Maßnahme bezieht sich auf die Einführung agiler Organisations- und Arbeitsprozesse (81%), mit der Teams auch während der Planung und Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen flexibel auf aktuelle Entwicklungen reagieren können.

Immerhin fast zwei Drittel (65%) sprechen sich dafür aus, Lerngruppen zu bestimmten Digitalisierungsthemen einzurichten, um so die Mitarbeitenden, die mit diesem Thema unmittelbar zu tun haben, „bottom up“ zu qualifizieren.

Deutlich geringer wird die Relevanz für Web-Based Trainings eingeschätzt. Nur 38 Prozent befürworten diese „Top down“-Maßnahme. Ähnlich sieht es bei der eher traditionellen Lernform „Präsenztraining“ zur Vermittlung von Kompetenzen rund um die Digitalisierung aus, die von 40 Prozent der Befragten die Note 1 oder 2 enthält.

Am Ende stehen mit den Unternehmens-MOOCs („Massive Open Online Courses“) eine relativ junge Vermittlungsform, die weniger als 20 Prozent der Befragten für das Mittel der Wahl halten.

Gefragt sind demnach eher Maßnahmen, die von den betroffenen Zielgruppen selbst gestaltet werden. Dabei orientiert man sich an einer langfristigen Strategie, um aber auch im Augenblick flexibel zu agieren. Straff organisierte Lernmaßnahmen von oben und solche, die das ganze Unternehmen betreffen, werden von weniger Befragten befürwortet.

Welche Lernmaßnahmen wurden bisher schon umgesetzt?

Natürlich kann man als Experte bzw. Expertin solche Maßnahmen fordern, ohne dass es für sie selbst eine praktische Relevanz hat. Doch da sie sich ja in der Digitalisierung als Vorreiter sehen (siehe oben), drängte sich die Frage auf, inwieweit sie selbst diese Lernmaßnahmen schon praktizieren. Das Schaubild zeigt die Werte für die Umsetzung als orangefarbene Rauten im Vergleich mit den Werten zur Relevanz (blaue Rauten).

Danach verläuft die Umsetzung parallel zu den Werten der Relevanz, allerdings mit einigem Abstand, d.h. die Maßnahme ist im Mittel noch in einem frühen Stadium der Umsetzung oder noch in Planung. Eine Ausnahme bildet das Präsenztraining, das natürlich auch schon seit langem in Unternehmen verwurzelt ist. Auch wenn diese Maßnahme zur Qualifizierung für Digitalisierungsthemen als weniger relevant erachtet wird, wird sie doch in vielen Unternehmen und Institutionen praktiziert.

Natürlich ist dieser Katalog von Lernmaßnahmen, den die Befragten beurteilt haben, nur eine kleine Auswahl. Umso überraschender waren die vielen Maßnahmen, die die Expertinnen und Experten von sich aus unter „Sonstiges“ vorgeschlagen haben. Diese Liste wird in Kürze in einem separaten Blogbeitrag auf der Website der Bertelsmann Stiftung vorgestellt.

Von: Dr. Lutz Goertz