In einem Interview mit der ZEIT vom 7. Oktober 2021 äußert Thomas de Maizière Vorschläge zur Reformierung des Schulsystems in Deutschland. Schulen, Lehrkräfte und SchülerInnen würden „deutlich mehr erreichen, wäre das Bildungssystem besser organisiert“ (Spiewak 2021).

Mit dem Ziel eines neu gedachten föderalen Bildungssystem fragt sich de Maizière, „warum die Bundesländer nicht stärker arbeitsteilig vorgehen. Um bei der Digitalisierung zu bleiben: Warum entwickelt nicht ein Bundesland die IT-Standards für den Unterricht für lernförderliche IT-Infrastrukturen und die anderen Länder übernehmen das Modell?“

Damit skizziert der Vorsitzende der Telekom-Stiftung das Prinzip eines „Federführers“: Ein Bundesland kümmert sich nach Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) um die Recherche, Neuentwicklung und modellhafte Implementierung einer Bildungsinnovation und wird dabei von VertreterInnen anderer Bundesländer in einem Gremium begleitet. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Phase kann die Innovation bundesweit eingeführt werden. Hierbei können andere Bundesländer diese Lösung übernehmen und sie gegebenenfalls anpassen – unter Maßgabe der Kompatibilität untereinander. Ein solches Federführerprinzip für bestimmte Themen wird übrigens auch mit Erfolg bei den Industrie- und Handelskammern in einzelnen Bundesländern praktiziert.

Mit Blick auf einen verbesserten Austausch zwischen Schul-Lernplattformen und Lerninhalten in verschiedenen Bundesländern (Stichwort: Interoperabilität) würde dieses Vorgehen die Mehrfachaufwände vor allem für IT-Lösungen, aber zum Beispiel auch für Schulbücher und andere Lernmaterialien deutlich reduzieren.

Zufall oder nicht? Zur Zeit wird in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern auf Initiative der Kultusministerkonferenz ein KI-gestütztes Lernsystem „Area9“ der dänischen Firma Area9 Lyceum für den Einsatz an neun Schulen erprobt. Dieses adaptive System passt sich dem Lerntempo und dem Vorwissen der Lernenden in den verschiedensten Schultypen und -stufen an, um so alle Lernenden auf einen gleichen Lernstand zu bringen. Laut Newsdienst „Schulportal“ der Robert Bosch Stiftung sollen die Erkenntnisse der Erprobung auch mit Unterstützung von Hochschulen evaluiert werden. „Noch in diesem Jahr will die Kultusministerkonferenz über eine Nutzung in allen Ländern beraten“ (Kuhn 2021). Federführend in diesem Prozess ist das Bundesland Sachsen.

Damit hätten wir einen „Musterfall“, der den Vorschlag von Thomas de Maizière bereits in die Realität umsetzt. Es könnte durchaus sein, dass dieses Prinzip – gerade jetzt bei einer möglichen Neuorientierung in der Bildungspolitik im Zuge der Koalitionsverhandlungen – Schule macht.

Welche Potenziale KI-Anwendungen für die Schule bieten, erläutert das mmb Institut im Auftrag der Telekom Stiftung in der Studie „KI@Bildung: Lehren und Lernen in der Schule mit Werkzeugen Künstlicher Intelligenz“.

Von: Dr. Lutz Goertz