In diesem Blogbeitrag stellen wir ein Buch bzw. eBook vor, das man während der Urlaubszeit auch gut am Strand oder im heimischen Garten lesen kann. Es ist ein journalistisch verfasster Reisebericht, der uns die ungewöhnlichen pädagogischen Konzepte an Schulen in Neuseeland näher bringt.

Verena Friederike Hasel, eine deutsche Journalistin und Mutter von drei Kindern, lebte eine Zeit lang mit ihrer Familie in Neuseeland. In dem Buch beschreibt sie ihre Erfahrungen mit dem neuseeländischen Schulsystem – hierfür hat sie neben den Schulen ihrer Töchter auch eine Vielzahl anderer Schulen besucht. Immer wieder zieht sie auch den Vergleich zur Situation an deutschen Schulen.

Das Besondere an neuseeländischen Schulen: Lernstoff wird mit Kreativität verbunden – sind Insekten das zentrale Thema, so denken sich die Kinder im Musikunterricht ein Insektenlied dazu aus und singen von den typischen Merkmalen, die Insekten haben. Die einzelnen Fächer werden miteinander verbunden und haben einen engen Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. „Bringt einen Gegenstand mit, der mit K beginnt und der Euch wichtig ist“ lautet eine Aufgabe über das Wochenende und dann kommen die Kinder mit Koalas als Kuscheltieren, mit Rittern (Knights) und Kiwis. Das Lernziel ist nicht nur, lesen zu lernen, sondern „die Buchstaben lieben zu lernen“. Aber auch die Einhaltung von Regeln wird immer wieder betont.

Der Bezug zur Lebenswelt betrifft auch die Natur, die die Kinder umgibt. Auch die Kultur der Maori, der Ureinwohner Neuseelands, spielt im Unterricht eine zentrale Rolle. Die LehrerInnen gehen ausgesprochen kreativ mit ihren didaktischen Methoden um. Sie bringen beispielsweise einen schwarzen Koffer mit in die Klasse, den sie „gefunden“ haben. Er enthält alle möglichen Gegenstände, zu denen die Kinder Fragen haben. Anstatt diese zu beantworten, fordert die Lehrerin die Kinder auf „Schreibt doch etwas dazu!“ und regt sie so zum Schreiben an.

Hier greift das Fortbildungsprogramm der Schulbehörde: Die Idee mit dem Koffer stammt von Michael Irwin, der als Autor und Universitätsdozent immer wieder Schulen besucht. Er coacht die Lehrerinnen und Lehrer, wendet sich in konkreten Unterrichtsstunden aber sich auch direkt an die Kinder.

Das neuseeländische Schulsystem hat seit den 1980er Jahren einen langen Transformationsprozess durchlaufen. Es bedeutete die Abkehr von einem zentralistischen Top-Down-geregelten System mit EntscheiderInnen, die von den Auswirkungen ihrer Entscheidungen weit entfernt waren.  Entstanden ist ein System, in dem jede Schule von einem Kuratorium aus Schulleitung, LehrerInnen und ElternvertreterInnen gemanagt wird, das für drei Jahre gewählt wird. In diesem Rahmen erhielten die Schulen deutlich mehr Autonomie und SchülerInnen erfahren bei Bedarf eine sehr individuelle Betreuung.

Beispiel: Ein wütendes Kind darf auf dem Schulhof Kreidezahlen mit einer Wasserpistole von der Wand spritzen – zuerst die niedrigen, dann die hohen. Später entschuldigt es sich beim Direktor für den Wutausbruch und beide tanzen zur Musik vom iPod im Lehrerzimmer.

Das Buch schildert viele Einzelepisoden aus Schulen, in denen die didaktischen Konzepte und der Umgang mit der Schulverwaltung in Neuseeland deutlich werden. Ein Transfer einzelner Ideen auf deutsche Verhältnisse erscheint allerdings nicht einfach. Aber man lernt aus den Erfahrungen in Neuseeland, dass eine grundlegende Reform eines eher bürokratischen Schulsystems möglich ist.

Von: Dr. Lutz Goertz