Im Rahmen der alljährlichen Erhebung für den mmb-Branchenmonitor „E-Learning-Wirtschaft“ wurden die E-Learning Dienstleister in diesem Jahr auch zu den (erwarteten) Veränderungen in Folge der Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Corona-Epidemie befragt – und zwar jeweils a) für das eigene Unternehmen, b) für die Kunden und c) für die Bildungspolitik. Das Gros der insgesamt 40 Befragten hat diese offenen Fragen beantwortet. Die zentralen Befunde dieser kurzen Zusatzbefragung werden im Folgenden zusammengefasst.

Veränderungen für das Unternehmen

Die meisten Statements (etwa ein Drittel) beziehen sich auf Veränderungen der Arbeitsorganisation bzw. der Arbeitskultur – Herausforderungen, die auch die meisten anderen Branchen zu meistern haben. Stichworte sind hier „dezentrale Teams“, „virtuelle Kommunikation“, „Home Office“, „mobiles Arbeiten“ oder „neue dezentrale Arbeitsmodelle“. Einige Befragte heben hervor, dass das eigene Unternehmen auf diese Herausforderung gut vorbereitet war. „Home Office war für uns kein Problem, da alle Prozesse bereits vorher voll digital waren.“

Auch die Produktionsprozesse mussten an die neuen Bedingungen angepasst werden. Genannt werden hier u.a. „Remote-Projekte“, Verlagerung der Produktion in die Cloud oder eine größere Dynamik und Variabilität in Folge der geänderten Kommunikation mit Kunden.

Eine weitere Veränderung im eigenen Unternehmen, die mehrfach genannt wird, betrifft das Produktportfolio. Hier sind vor allem Firmen herausgefordert, die neben E-Learning auch Präsenzlernen im Angebot haben. Aber auch jene Dienstleister, die ausschließlich Lösungen zum digitalen Lernen anbieten, sehen sich mit neuen Anforderungen konfrontiert. „Standardisierte Lösungen“ werden hier als starker „Corona-Trend“ genannt; ebenso „Produktverkauf und passender Service“.

Der verstärkte „Trend zu Plattformen“ sowie die Verlagerung der Aufträge „von der Contentproduktion zur Plattformbereitstellung“ sind nach Angaben einiger Dienstleister weitere wichtige Veränderungen, die durch Corona verstärkt werden.

Obwohl viele Anbieter eine steigende Nachfrage nach digitalem Lernen konstatieren, wird mehrfach angemerkt, dass die Entwicklungen eine Verbreiterung der Kundenbasis erforderlich machen, insbesondere in Richtung KMU. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass die Veränderungen der Arbeitsorganisation bei ihren Kunden zum Auftreten „neuer Mitbewerber aus dem Bereich Online-Konferenzen“ geführt haben.

Veränderungen für die Kunden

Auch bei den Kunden der befragten Dienstleister stehen die Veränderungen der Arbeitsorganisation in Folge des Lockdowns im Mittelpunkt. Das Arbeiten im Home Office habe einen „Digitalisierungsschub“ ausgelöst, der wiederum eine starke Nachfrage nach digitalen Lernangeboten bewirkt habe. „Weiterbildung muss jedermann zugänglich gemacht werden, auch im Home Office.“ E-Learning verändert damit seinen Stellenwert bei vielen Kunden: „Digitales Lernen ist kein Luxus mehr, sondern täglich benötigte Praxis.“

Von offline zu online: Kurzfristig bedeutet das etwa, dass bestehende „Präsenzseminare zu Webinaren umgebaut“ werden müssen. Mittelfristig gehe es dann darum, die bestehenden digitalen Lernkonzepte zu verbessern – und vor allem: „Maßnahmen zum sozialen Lernen verstärkt in die vorhandenen Systeme einzubauen“. Damit müsse auch der Ausbau digitaler Kompetenzen auf Seiten der Kunden einher gehen – „als E-Trainer, E-Learning-Autoren und Konzeptionisten“. Auch hier sind E-Learning-Anbieter als Dienstleister gefragt. Insgesamt zeigen die Kunden der E-Learning-Dienstleister „eine höhere Bereitschaft zum digitalen und virtuellen Lernen“.

„Wir haben neue Kunden gewonnen, für die das Thema bisher nicht dringend war.“ Während also ein Teil der Befragten, trotzt des Wegfalls der für die Akquise wichtigen Messen, neue Kunden gewinnen konnte, die erstmals E-Learning in ihrem Unternehmen einsetzen wollen, stellen andere fest, dass bei manchen Bestandskunden „durch Corona“ Budgets für Training wegfallen oder stark reduziert werden. „Dadurch sind neue, kreative Ansätze gefragt“, wie ein Befragter konstatiert.

In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Nachfrage nach „schnellen Lösungen“ hervorgehoben. „Pragmatisches, schnelles, das heißt agiles Vorgehen ist wichtiger denn je.“ Das bedeutet zugleich einen „Trend zu Standardlösungen“ an Stelle von maßgeschneiderten Angeboten.

Veränderungen für die Bildungspolitik

„Digital ist Prio 1“. Während die Antworten der befragten Dienstleister im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Krise auf das eigene Unternehmen sowie die Kunden sehr vielfältig ausfallen, sind sich die Befragten bei ihren Einschätzungen zur Bildungspolitik weitestgehend einig. Mit einem Zitat eines Teilnehmers kann die Resonanz wie folgt zusammengefasst werden: „Die Digitalisierung wurde verschlafen und wird jetzt dringend benötigt.“ Diese kritische Einschätzung wird von etwa drei Viertel der Befragten so oder ähnlich formuliert.

Die Kritik konzentriert sich auf das Schulsystem, die Forderungen gehen aber auch darüber hinaus. „Es braucht ein digitales Mindset in der gesamten Bildungspolitik, von der Gemeinde bis zur Bundesregierung.“

Dringend erforderlich seien die Förderung digitaler Kompetenzen sowie „abgestimmte Konzepte zum Einsatz digitaler Bildungssysteme und -medien“. In diesem Zusammenhang wird auch moniert, dass „zu sehr auf Open Source-Angebote gesetzt“ werde und die Angebote kommerzieller Dienstleister ignoriert würden.

Von: Dr. Lutz P. Michel